Seit der Entdeckung des strukturellen Aufbaus der DNS in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts war es das Bestreben der Wissenschaft, die menschlichen Gene zu entschlüsseln. Wer wir sind, warum wir krank werden, weshalb wir altern — alles sollte darin zu lesen sein. Im Jahre 2003 war man dann soweit.
Das menschliche Genom galt offiziell als vollständig entschlüsselt. Auf den Triumph folgte jedoch die ernüchternde Enttäuschung. Denn die Anzahl der Gene stellte sich mit nur rund 25.000 als enttäuschend gering heraus — nicht wesentlich mehr als bei anderen Säugetieren und sogar weniger als bei einem primitiven Wasserfloh.
Während das Humangenomprojekt die Schlagzeilen beherrschte, vollzog sich im Stillen und kaum beachtet eine Umwälzung von viel größerer Tragweite. Forscher stellten fest, dass sich eine Stufe oberhalb des Erbguts eine zweite Informationsebene befindet, die darüber entscheidet, wann welche Inhalte aus dem genetischen Handbuch eines Organismus genutzt werden. Man entdeckte chemische Markierungen, die an der Erbsubstanz oder an den Proteinen angebracht sind. Und genau von diesen Markierungen hängt es ab, ob und wie gut sich Informationen an einer bestimmten Stelle der DNA auslesen lassen. Das bahnbrechende an den neuen Erkenntnissen ist die Entdeckung, dass Umweltfaktoren die Markierung der Erbsubstanz beeinflussen, dass das Umfeld der Zelle bzw. der DNA darüber entscheidet, ob bestimmte Gene aktiviert werden oder nicht.
Damit stürzte eine Säule der modernen Biologie ein, die seit den Entdeckungen von Charles Darwin Bestand hatte: die Annahme, dass die Gene über unser Leben entscheiden. In Wahrheit bietet es nur die Grundausstattung, und erst, was ein Lebewesen daraus macht, entscheidet über seine Eigenschaften. Die Epigenetik, wie das neue Fachgebiet heißt, erweitert das seit mehr als einem Jahrhundert diskutierte Verhältnis zwischen Erbanlagen und Umweltfaktoren um eine völlig neue Dimension: die Rückwirkung persönlicher Erfahrungen und Gedanken auf die Ausprägung der Gene.
Dass der Mensch Gefangener seines genetischen Erbguts sein soll, verwarf der bekannte Zellbiologe Dr. Bruce Lipton bereits vor Jahrzehnten. Seiner Ansicht nach wirkt unser Denken und Fühlen in jede Zelle hinein und bestimmt so wesentliche Aspekte unseres Lebens.